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Engelbert Kievernagel 1928-1987Kievernagel war ein typischer spätberufener Outsider-Künstler, der in Kollegenkteisen sehr geschätzt und geachtet wurde. Es gab zahlreiche Zusammenarbeiten u.a. mit Käthe Be, Kain Karawahn, Stefan Roloff, Miron Zovnir und vielen anderen. Seinen Lebensunterhalt verdiente er als Hilfsarbeiter, aber auch als Aktmodell war er sehr gefragt und so als Exhibitionist eine Zeitlang in der glücklichen Lage den leidigen Broterwerb mit seinem Vergnügen verbinden zu können. Damit hatte er sonst wohl seine Schwierigkeiten gehabt; da er seiner Art wegen oft aufgezogen wurde, hatte er es bei keiner Arbeitsstelle lange ausgehalten. 1928 in Berlin-Mitte geboren wurde er mit acht Jahren vom Jugendamt in ein Kinderheim eingewiesen. Weil er dort bettnässte, schrie, Essen und Sprechen verweigerte, kam er für drei Jahre in die Karl-Bonhoeffer-Heilstätten. Am 17. Juni 1953 lief er bei den Demonstrationen in Ost- Berlin mit, wurde festgenommen und für vier Jahre ins Zuchthaus Waldheim gesteckt, drei Jahre davon verbrachte er in der Psychiatrischen Klinik dort. 1957 wechselte er mit seiner Schwester nach West-Berlin. Die Schwierigkeiten mit Polizei, Ärzten und Behörden hörten deshalb für ihn nicht auf. Seine ersten Zeichnungen zierten deshalb auch Protestschreiben an diverse Ämter und Dienststellen: "Da hab' ich denen geschrieben, die sollen im Büro nicht ständig nur 'rumficken, sondern meine Angelegenheiten erledigen". Leute die ihn nicht für voll nahmen oder ihm dumm kamen, ärgerte er besonders gern. Sein Exhibitionismus eignete sich ja gut dafür, außerdem besaß er eine gehörige Portion Schlitzohrigkeit, dank der er seine "Macke" zu nutzen verstand. Für einige Aufregung sorgte er so in dem Altenwohnheim, wo er die letzten Jahre bis zu seinem Tod 1987 lebte. Da sich die, aus seiner Sicht boshaften alten Weiber dort ihre Zeitschriften wenn sie diese gelesen hatten im Austausch gegenseitig unter der Tür durchschoben: " Hab' ich ihnen eben auch meine Schwulenzeitschriften und Pornos unten durchgeschoben". 1981 versuchte er nocheinmal durch eine Reihe von Erpressungsbriefen seine damals finanziell verzweifelt und unhaltbare Situation aufzubrechen. Eine erneute Einweissung in eine Psychiatrische Anstalt wurde angeordnet und zur Bewährung ausgesetzt. In der Urteilsbegründung heißt es: "Er ist psycho-sexuell auf einer infantilen Entwicklungsstufe stehengeblieben. Schwere Verhaltensgestörtheit bereits in der Kindheit hat zu einer Abkapselung gegen die Umwelt geführt, zum Rückzug auf das eigene Selbst und zum Ausweichen in die Phantasie mit hochgradiger Einschränkung der Kritik- und Urteilsfähigkeit bei geringem bis fehlenden Realitätsbezug." Im selben Jahr wurde eine Krebserkrankung diagnostiziert; als er ein zweitesmal operiert werden sollte, verließ er das Krankenhaus und verweigerte jede ärztliche Behandlung. Die mit erheblichen Schmerzen verbundenen Folgen hat er klaglos hingenommen. Zeitgleich begann er intensiv zu zeichnen; bis zu seinem Tode entstanden Hunderte von Arbeiten, hauptsächlich Kugelschreiber, Buntstift- und Filzstiftzeichnungen auf Din A4 Schreibmaschinenpapier, später auch auf Din A1 Zeichenpapier. Die Bilder hat er immer alle verschenckt. Auf grund seiner extremen Phantasien und der anarchistischen Inhalte blieb sein Werk bis jetzt nahezu unbekannt. Trotz aller Faszination durch das "Tal der Sünde" so ein Bildtitel, war Engelbert gläubig, wenngleich die Kirchen es ihm auch nicht immer recht machen konnten, denn er trat mehrmals aus und in die jeweils andere wieder ein. In dem 1987 aufgenommenen Dokumentarfilm von Kain Karawahn, antwortet er auf die Frage, was er einmal werden wollte: " Nichts, nichts, nichts wollte ich werden, gar nichts! " Engelbert war mehr als ein Kreuzberger Orginal, sondern einer der wenigen Künstler, die den Traum einer Einheit von Leben und Werk mit seltener Konsequenz verwirklichten. Reinhard Scheibner Berlin, den 21. 8. 2006 |
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