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SPEISEEIS IM ÜBERFLUSSAusstellung mit Radierungen der Sechziger Jahre aus dem Archiv der DruckwerkstattDruckwerkstatt im Bethanien in Berlin-Kreuzberg, Mariannenplatz 2
Die Drucke der hier vorgestellten Ausstellung entstammen einem Konvolut ungeordneter Werkstattdrucke aus der alten Druckwerkstatt des BBK*, die von 1955-1973 in der Heerstraße untergebracht war. Den Arbeiten Die in einer Wohnung untergebrachte, technisch bescheiden ausgerüstete Werkstatt wurde von Gerd Metz geleitet, der später die Radierwerkstatt an der HdK übernahm. Von dort verdanke ich ihm noch eine breite Narbe am Oberschenkel, hilfsbereit wie immer verteilte er die unverdünnte Salpetersäure allzu großzügig auch über den Rand des Säurebeckens. Das ist insofern passend als die Ätztechnik ursprünglich nicht zum Drucken entwickelt wurde, sondern von Waffenschmieden um Waffen und Rüstungen zu verzieren. Die ersten Radierungen z.B. von Dürer sind deshalb auch Eisenradierungen, bis dieses bald darauf vom weicheren Kupfer abgelöst wurde. 1971 übernahm Jan Huber die Betreuung der Werkstatt, einer seiner hier gezeigten Arbeiten entlieh ich den Titel der Ausstellung. Die 60er Jahre bilden den Schwerpunkt der Ausstellung, zu sehen sind allerdings auch Arbeiten von 1959 bis 1973. Zuerst fielen mir beim Wühlen in dem Stapel ein paar großformatige Drucke von Peter Ackermann (1934-2007) auf, der war mir noch aus den 70er Jahren ein Begriff. Schnell gesellten sich weitere Künstler von vergleichbarer Phantastik dazu, bildeten ein Übergewicht. Das überraschte erst einmal, hätte ich aus die Zu sehen sind dunkle, düstere, seltsam in sich versponnene, der Zeit enthobene Blätter, die da in altersgebräunten Mappen in ewigem Mittag Dornröschenschlaf halten. Die Phantastik entspringt weniger einer üppigen Einbildungskraft oder außergewöhnlichem Erfindungsreichtum, liegt vielmehr im Atmosphärischen, Alltäglichen. Architektonische Motive überwiegen, und selbst über den nüchternen staubtrocken gezeichneten Veduten eines L.C.Hartmanns liegt noch ein Hauch pittura metafisica und Melancholie. Anders bei den abstrakten Gespinsten endlos mäandernder Linien eines Eckert, die an orientalische Kalligrafien erinnern und wo erst auf den zweiten Blick, wie in einem Vexierbild, auf einem Blatt das Olympia Stadion erscheint. Bei Carl Bianca und Jonas popt’s dann doch noch ein bisschen, zeigen sie Bein, Busen, Minirock und Plateauschuhe, verfängt sich die Apollo- Rakete in der Stuckkulisse des Ackermannschen Vorstadttheaters. Klaus Fußmann hackt, kratzt und strichelt schwungvoll Atelierecken samt undefiniertem Gerümpel auf die Platte. Ein oder eine Paul versenkt sich und den Betrachter auf mehreren kleinformatigen Blättern kontemplativ in die Ansicht eines Vertikos. Köchler erkundet in einer Ein schöneres Kompliment, welches eben darum einen ziemlichen Anspruch beinhaltet, kann man der Kunst eigentlich nicht machen. Deswegen, zurück zur Idee in ihrer sinnlichen Gestalt, überzeugen sie sich selbst, die Druckwerkstatt freut sich auf ihren Besuch. Und: "Wer Augen hat zu sehen, der sehe! Wer keine Augen hat, der sehe Augen!" lautet die letzte der sieben Blalla-Weisheiten der letzten Tage. Dessen, (W.Hallmanns) Radierungen aus den 60er Jahren hätten sich in ihrer, nun allerdings überschäumenden Skurrilität und Phantastik auch gut in die Ausstellung gefügt. Aber so ist es mit einer Ausstellung aus dem Archiv, die Auswahl ist immer etwas zufällig, weil beschränkt auf die Künstler die Spuren darin hinterlassen haben. Reinhard Scheibner Berlin 3.11.2008
Künstlerliste:
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